Samstag, 27. Februar 2016

Statt Mittelrheinbrücke

Foto: Elke Greiff-Gossen

Durchschnittlich alle 9 Kilometer können die Menschen die andere Flussseite des Rheins im Welterbe Oberes Mittelrheintal erreichen. Die Fährbetriebe in Boppard, St. Goarshausen, Kaub und Lorch stellen für die Menschen die Verbindungen zwischen den Städten und Gemeinden über den Fluss her. Die Fähren sind der Kernbestandteil des öffentlichen Verkehrs im Mittelrheintal. Das gilt zumindest im Moment noch und nur solange, wie es Fähren gibt.

Eine Mittelrheinbrücke würde die bestehende Verkehrsinfrastruktur am Mittelrhein drastisch verändern. Sie würde nämlich nicht als zusätzliche Rheinquerung etabliert, nein, sie müsste die Aufgaben der Fähren mit übernehmen und den Gesamt-Querungsverkehr am Mittelrhein dann allein bewältigen. Denn die Fähren werden ihre Fährverkehre mit Inbetriebnahme einer Mittelrheinbrücke aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben. Als einzige Rheinquerung im 63 Kilometer langen Welterbetal würde die eine Mittelrheinbrücke verbleiben.

Wer ein Interesse daran hat, die bestehende Verkehrsinfrastruktur derart drastisch zu verändern, der muss auch erklären, wie die gesamte Verkehrsgestaltung zukünftig hier tatsächlich aussehen soll. Genau diese Erklärung erwartet die Bürgerinitiative Rheinpassagen jetzt von den politischen Parteien. Die Bürgerinitiative hat die CDU, SPD, FDP, Bündnis90/Die Grünen, Die Linke und die AfD gebeten zu erklären, wie die Parteien die Zukunft der Rheinquerung sehen und wie sie die Rheinquerung für die Menschen hier ohne Fähren gestalten wollen.

Die Fragen:

  • wie steht Ihre Partei zum Bau einer Brücke,
  • welche Maßnahmen wird Ihre Partei konkret ergreifen, um mindestens die derzeitig angebotene Qualität der Rheinquerungen auch nach dem Wegfall der Fährbetriebe als Folge eines Brückenbaus für die Menschen entlang des Rheins zwischen Bingen und Boppard sicherzustellen
  • welche Maßnahmen wird Ihre Partei konkret zur Verbesserung der Infrastruktur am Mittelrhein durchführen, bis eine Brücke eventuell einmal fertig gestellt ist.

Hintergrund für die Fragen der Bürgerinitiative an die Parteien ist die von den vier Mittelrhein-Fährbetrieben an die Landesregierung gegebene Information, dass „eine betriebswirtschaftlich verantwortbare Weiterführung der Fährbetriebe nach einem Brückenbau am Mittelrhein auszuschließen ist, weil die Kosten der Fährbetriebe durch die dann reduzierten Einnahmen nicht mehr gedeckt werden können“, so steht es in der Mitteilung an die Landsregierung.

Die Fähren haben ihre Kalkulationen einzeln dargestellt:

  • Fähre Boppard – Filsen: "Die Fähre ist etwa 12 Kilometer vom geplanten Brückenstandort entfernt. Der Fährbetreiber geht davon aus, dass sich der Kraftfahrzeugverkehr dann überwiegend auf die Brücke verlagert. Mit den Einnahmen aus den verbleibenden Verkehren können die Kosten im Gesamtjahr nicht mehr gedeckt werden. Insofern wird eine Weiterführung des Betriebes insgesamt in Frage gestellt, in jedem Fall aber während der Wintermonate von November bis März (einschließlich) eingestellt."
  • Fähre St. Goarshausen – St. Goar: "Die geplante Brücke ist etwa 3 bis 4 Kilometer vom Fährstandort entfernt. Der Fährbetreiber geht davon aus, dass dann nahezu der gesamte Kraftfahrzeugverkehr über die Brücke fahren wird. Die wirtschaftliche Grundlage würde dem Fährbetrieb entzogen. Der Fährbetrieb müsste eingestellt werden. 'Eine Fußgängerfähre ist wirtschaftlich nicht darstellbar'."
  • Fähre Kaub – Engelsburg: "Die Fähre verbindet den Ort Kaub mit der Bundesstraße 42 zur Engelsburg an der Bundesstraße 9. Wegen dieses Standortes ist die Wirtschaftlichkeit des Betriebes sehr stark vom Kfz-Aufkommen abhängig. Eine in etwa 12 Kilometer von der Fähre Kaub entfernt zu bauende Brücke würde einen wesentlichen Teil des Kfz-Verkehrs dort hin verlagern und die Einnahmesituation für den Fährbetrieb derart drastisch verändern, dass der Fährstandort aufzugeben wäre."
  • Fähre Niederheimbach - Lorch: "Der Fährstandort ist etwa 20 Kilometer vom geplanten Brückenstandort entfernt. Eine in etwa 20 Kilometer Entfernung zu dieser Fähre zu bauende Brücke würde einen Teil des Kfz-Verkehrs dorthin verlagern und die ohnehin durch die Bahnunterführung Niederheimbach eingeschränkte Einnahmesituation derart drastisch verändern, dass der Fährstandort aufzugeben wäre."

Der Vortrag der Fährbetreiber ist als fundiert einzustufen. Die Fähren werden den Menschen hier nach einem Brückenbau nicht mehr für die Rheinquerung zur Verfügung stehen, es ist zumindest ernsthaft davon auszugehen. Ohne verkehrliche Alternativ- oder Ergänzungsplanung hätte dieser Schritt dann fatale Folgen für die Menschen: Der Rhein wird zum Grenzfluss mit Kanalisierung des Verkehrs auf eine einzige Brücke. Die andere Rheinseite, Schulen, Krankenhäuser, Arbeits- und Ausbildungsplätze würden in unerreichbare Ferne rücken.

Die Bürgerinitiative Rheinpassagen und der VCD möchten nun von den Parteien mit Brückenbauplänen hören, wie sie die Rheinquerung zukünftig gestalten werden, welche Alternativen oder Ergänzungen sie zur Verfügung stellen werden, um mindestens die „alte“ Rheinquerungsqualität auch nach einem Brückenbau zu erhalten. Es ist jetzt an der Zeit die Planungen zur zukünftigen Rheinquerung ohne Fähren zu veröffentlichen. Die Bürgerinitiative Rheinpassagen wird die von den Parteien erwarteten Informationen dann öffentlich mit den Bürgern diskutieren.

Für sie ist es schon lange überfällig, eine bessere Rheinquerungssituation umzusetzen, die „alte“ Rheinquerungsqualität ist überholungsbedürftig. „Die Verkehrssituation am Rhein muss für alle verbessert und nicht drastisch verschlechtert werden. Die am Rhein lebenden Menschen müssen auch zukünftig auf direktem Weg über den Fluss kommen. Verbesserter Fährverkehr ist dringend erwünscht“ kennt die Bürgerinitiative die Wünsche der Anwohner. Dazu fordert sie, die Fährzeiten zu verlängern, die Fähren in eine Gesamtverkehrsstruktur einzubinden und die Tarifsysteme zu überprüfen.

„Nur eine einzige Mittelrheinquerung zu etablieren ist eindeutig die schlechteste Lösung für die Menschen hier. Der Fluss wird dann zur Grenze“.

Klaus Thomas, Mario Pott und Otto Schamari

Rückfragen an: Klaus Thomas, Mainzer Str. 55, 56154 Boppard, klaus-thomas@web.de, 06742938181. Mario Pott, VCD RLP, Kornpfortstraße 15, 56068 Koblenz, pott@vcd-rlp.de, 0261/97353840

Boppard, 27. Februar 2016