Dienstag, 22. März 2011

LORELEY FERRY

Vor der rheinland-pfälzischen Landtagswahl 2011 sollten Loreley-Fähre-Freunde zusammenstehen unbeschadet sonstiger politischer Zielsetzungen. Ich spreche als früherer Rheinschifffahrtstreibender und heutiger 77 jähriger parteiloser Schriftsteller. Loreley - meint nicht das Felsenluder, dem nachgesungen wird, für die Kenterung des Säuretankers "Waldhof" am 13. Januar 2011 verantwortlich zu sein. Sondern die noble, goldbekämmte Wasserdame als Namensgeberin der Rheinfähre St. Goar - St. Goarshausen. Diese bedarf keiner einzelnen Freunde, weil sie als Freund aller geschätzt wird. Daher leiste ich nur Argumentationshilfe zu deren Bestandssicherung wider die Mittelrheinbrücke bei St. Goar / Fellen und St. Goarshausen / Wellmich.

Wäre "Waldhof" statt bei der Loreley zwei Kilometer talabwärts gekentert und vor einem Brückenpfeiler quergefallen, hätte das die verhängnisvollste Havarie in der Rheinschifffahrtsgeschichte gezeitigt. Darüber sind sich Fachleute aus zwölf den Strom befahrenden Nationen einig. Nicht Landesregierung und Kreistage von Rheinland-Pfalz, die auf pfeilergestützter Brücke beharren. Sie wäre ein schillernder Regenbogen zwischen den Ufern. Wer gern auf Regenbogen den Rhein quert - ich bevorzuge das fährgängige Wasser.

Lange vor der Brücke gab es die Fähre, das Fährrecht vor dem Brückenrecht, die Fährpacht vor der Brückenpacht. Nur die Fähre erlaubt auf gleicher Ebene kreuzende Querschifffahrt mit der Längsschifffahrt. Um letzterer das Unterfahren zu ermöglichen, muss die Brücke so hoch gebaut werden, dass ihre Rampen Abermillionen kosten. Die Fähre legt am günstigsten Uferplatz an - basta! Rheinhöhe sollte Rheinhöhe, Rheintal sollte Rheintal bleiben. Wollen Hunsrück und Taunus sich verbinden, mögen sie eine Hochbrücke über den Strom bauen. Rheintäler sind mit ihren Fähren zufrieden nicht nur nostalgischerweise.

Da der Fährmann ein Mensch, dein Bruderwesen ist, kann die Fähre an bestimmten Orten identitätsstiftend sein. Das gilt für Rheinuferbewohner, nicht für Hunsrücker Hinterländler. Hätten die Mittelrheiner rechten und linken Ufers ihren eigenen Mittelrheinkreis, läge die Sache anders. So jedoch besteht ein ewiger Interessenkonflikt zwischen den bäuerlichen Anliegen von Hunsrück und Taunus und dem, was das Tourismus- und Schifffahrtsinteressierte Rheinvolk bewegt. Und nicht erst seit heute.

Die Mehrheit der Brückenbefürworter entstammt rechtsrheinischen und linksrheinischen Höhenregionen und vermag ihre Forderung nach einer Brücke im Rheintal nicht rational zu begründen. Sie wird zur winzigen Minderheit im Hinblick auf die Notwendigkeit dieses Strukturprojekts. Hätte das Landvolk sich dazu verbindlich auszusprechen, kämen keine tausend Erklärungen zustande dergestalt, dass man aus diesem und jenem nachweislich bestimmten Grund die feste Querung statt der Fähren benötigt. Auch eine Frage der Mentalität!

Schon immer nahm die Höhe für sich in Anspruch, das Tal einzuvernehmen. In der Zeit zwischen 1875 und 1960 haben sich rund 1000 Hunsrücker in der rheinischen Dampfschifffahrt als "Stocher" genannt Heizer verdingt. Abhängige Arbeitnehmer mit Sozialversicherungspflicht, aber Unwillens, Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. In Düsseldorf archivierte Akten beweisen behördliche Pfändungen deswegen bis in den Hunsrücker Kuhstall hinein. Auf Radschleppern bin ich zusammen mit ihnen gefahren - Bauern, die sich an Bord für unverzichtbar hielten. Hätte ich versucht, den Hunsrücker Kuhstall einzuvernehmen, wäre es mir schlecht ergangen.

Die Fähre des sibyllinischen Namens "Loreley" ist keine beliebige. In Afrika würden 50 Mann zu ihrer Transportleistung benötigt. Der Ferryman steuert den bordseitigen Ankerhaken bewundernswert passgenau in seine landseitige Halterung. Wer derlei missachtet aus Unfähigkeit, es zu beachten, verletzt den Grundsatz, ein eingespieltes Team nicht zu verlassen. Kraft seiner hat die britische Marine über Jahrhunderte die Weltmeere beherrscht. Hier steht nautischem Schiffsführergeschick ausgefeilte Schiffbautechnik zur Seite.

Landesregierung und Kreistage haben Entscheidungsträgerschaft für den Brückenbau als solchen. Nicht aber für den Sonderfall, dass in die Bundeswasserstraße Rhein als internationalisiertem westeuropäischem Hauptverkehrsweg schifffahrtsbehindernde Brückenpfeiler eingebracht werden sollen. Dazu sind überstaatliche Gremien wie die EU-Kommission, die Internationale Rheinschifffahrtskommission, die verschiedenen Rheinreederverbände und die Dachorganisation der großen Schiffsversicherungen zu hören.

Keine dieser Gremien erhielt bisher eine Anfrage! Woher nehmen also die Brückenbefürworter die Gewissheit, dasjenige, für das sie streiten, tatsächlich verwirklichen zu können? Die Fähre indessen fährt und fährt, fährt dank der Patronage ihrer Namensgeberin das Wasser dünn. Überzeugender kann sich zivilisatorische Wirklichkeit nicht outen. Der Heilige Christopherus trug Reisende auf seinen Schultern durch dne Rhein, eben - weil es zu seiner Zeit noch keine Loreley Ferry gab. Jetzt gibt es sie. Mit Sicherheit noch übermorgen!

Dass die Fähre das bessere Flussquerungsmittel darstellt, zeigt die Mosel mit ihren vor der Kanalisation gebauten niedrigen Brücken. Als die Längsschiffahrt kam, mussten sie erhöht werden, um unterfahren werden zu können, was den Staat Abermillionen kostete. Hätten die alten Moselaner bis zurück in die Römerzeit sich auf Fähren beschränkt, wäre das Problem nicht entstanden. Bezüglich der Mittelrheinbrücke haben deren Befürworter zweierlei zu bedenken. Erstens dass teure Uferrampen gebaut werden müssen,damit die für die Schifffahrt nötige Durchfahrtshöhe auch bei Hochwasser gewährleistet ist. Zweitens, dass nicht ohne erheblichen bürokratischen Aufwand Brückenpfeiler ins Fahrwasser gesetzt werden können. Ausgerechnet die brave Loreley-Fähre liefert ein abschreckendes Beispiel.

Um bei Hochwasser- und Eisgang bedingter Betriebsruhe das Fahrzeug sicher vertäuen zu können, wollte ein früherer Betreiber ufernahe einen stählernen Spundpfahl in den Fussboden rammen lassen ... wollte! Das Vorhaben war vom Wasser- und Schifffahrtsamt Bingen zu genehmigen. Aber die vorgesetzte Mainzer Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest hatte Bedenken, wandte sich an ihre vorgesetzte Behörde, nämlich das Bundesverkehrsministerium. Diesem erschien die Spundpfahlgeschichte so wenig geheuer, dass Rückfrage bei der internationalen Rheinschifffahrtskommission in Straßburg gehalten wurde.

Auf den ersten Blick ist ein Spundpfahl in Ufernähe unkritisch. Jedoch kann er knicken, brechen, ausspülen ... von der Strömung ins Fahrwasser gewälzt werden. Kollidiert dort ein Schiff mit ihm, haftet die Bundesverkehrsverwaltung für den Unterwasserschaden. Ich habe für eine große Schiffsassekurranz gearbeitet (Siehe mein Buch "Brückenkrieg", Pandion-Verlag) und weiß Bescheid. An neuralgischer Stelle errichtete Brückenpfeiler erhöhen die Versicherungsprämien. Zum einen der Gefahr unmittelbarer Kollision halber. Zum anderen, hydrodynamisch / nautisch nicht das Geringste, wegen der von den Pfeilerfundamenten erzeugten Stromwirbel. Je nach Wasserstand / Wasserdruck können sie so stark sein, dass ein Schiff aus dem Kurs gerät.

Wenn ein alberner Spundpfahl ein solches Prozedere provoziert, welche Schwierigkeiten gibt es dann erst mit Brückenpfeilern im Fahrwasser? Sollten zukünftige Verkehrsmodelle die traditionelle terrestrische Flussquerung erübrigen, stellt man den Fährbetrieb ein, verkauft das Schiff - basta! Eine überflüssige dahingammelnde Brücke in der interessantesten Flusslandschaft Mitteleuropas beleidigt das Auge, ist nachgerade eine Kulturschande. Dass die Brückenbefürworter offenbar keine Augen im Kopf haben, erschwert die Auseinandersetzung ungemein.

Quelle: Schriftsteller Hans Schwarz - März 2011